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13.11.2019

»Wir dürfen nicht wegschauen!« - Verlegung von 16 weiteren Stolpersteinen in Kirchhain

Auch die 5. Verlegung der Stolpersteine in Kirchhain fand wieder unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit statt. Die Gedenktafeln erinnern an jüdische Bürgerinnen und Bürger, die der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Opfer fielen.

Bürgermeister Olaf Hausmann begrüßte zu Beginn der Veranstaltung die Anwesenden und erklärte: „Man kann die grauenhaften Geschehnisse nicht ungeschehen oder wiedergutmachen, aber daran erinnern, dass so etwas nie wieder passiert“. Besonders begrüßte er die Nachfahren der Familien Steinhauer und Schaumberg, für deren Vorfahren an diesem Tag Steine verlegt werden sollten. So konnten aus den USA Tom und Peter Schaumberg sowie aus der Schweiz Kathrin Fröhlich begrüßt werden.

Schüler der Alfred-Wegener-Schule und Harald Pausch vom Heimat- und Geschichtsverein Kirchhain verlasen an jeder der vier Stationen Biografien der Menschen, an die nun die Stolpersteine erinnern. Schüler und Lehrer sowie der Heimat- und Geschichtsverein hatten in den vergangenen Monaten die Biografien der recherchiert und Dokumente zusammengetragen.

Kathrin Fröhlich legte in der Niederrheinischen Straße 2 zur Erinnerung an ihre Großeltern Ludwig und Paula Steinhauer eine weiße Rose nieder. Sie waren in der Pogromnacht Opfer massiver Übergriffe. Ludwig entging der Deportation nach Buchenwald nur knapp. Statt wie geplant in die USA wanderte das Ehepaar in die Schweiz aus.
Tom und Peter Schaumberg waren aus Washington angereist. Sie sind Enkel von Adolf und Fanny Schaumberg, die im Haus „Niederrheinischen Straße 3“ gelebt haben. Auch für Ernst und Gertrud, die Eltern von Tom und Peter, erinnern jetzt Steine.
Fanny wird 1943 im Vernichtungslager Sobibor in Polen ermordet. Im Januar 1944 werden Ernst, seine Frau Gertrud und ihr vierjähriger Sohn Tom ins KZ Bergen-Belsen deportiert, bis sie in einen Transportzug Richtung Theresienstadt geschickt werden. In den Wirren der letzten Kriegstage bleibt der Zug zwischen den Fronten stehen und wird von der roten Armee befreit. Die Familie wandert in die USA aus.
Tom Schaumberg richtete seine Worte an die Anwesenden. Er war sehr ergriffen und dankte mit bebender Stimme für die Verlegung und das Gedenken an seine Eltern und Großeltern.
Besonderen Respekt erhielt die Schülerin Johanna Gücker für ihre Rede. Sie sprach im Namen ihrer Mitschüler*innen der AG ARRETT: „Stolpersteine erinnerten uns auch an unsere Verantwortung, die bei Missachtung schnell wieder zu Schuld werden kann“, so die klaren Worte der Schülern.

Für Juda, Frieda, Felix Rothschild sowie Else, Gerhard und Kurt Wolf wurden Steine in der Hofackerstraße 11 verlegt. Die Familie Rothschild betrieb ein Geschäft für Fell-und Darmhandel sowie Alteisen. Sie hatten zwei Kinder, Felix und Else. Das Geschäft gaben sie 1936 auf; Felix flüchtete nach Misshandlung durch einen SS-Mann nach Brasilien. Else, verheiratet mit Kurt Wolf, wanderte mit Sohn Gerhard in die USA aus und folgte ihrem Mann Kurt. 1941 gelang auch Frieda und Juda, der bald darauf stirbt, die Flucht in die USA.

Die letzte Verlegung fand vor dem Haus „Hinter der Post 1“ statt. Hier erinnern die Steine an Meier, Berta, Hermann und Margot Heching. Berta und Meier betrieben bis 1939 einen florierenden Pferdehandel. Sie hatten hat vier Kinder. Selma, Harri und Hermann flüchteten in die USA. Hermann holt 1941 Mutter Berta nach. Das Schicksal der jüngsten Schwester Margot ist nicht restlos geklärt.
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Das Schlusswort kam von Klaus Hesse, stellvertretender Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins sowie Schulleiter Matthias Bosse. Hesse gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass jedes Jahr mehr Menschen teilnehmen und so die Veranstaltung im Gedächtnis bleibe und Bosse ergänzte, dass die Verlegungen der Stolpersteine weitergehen.

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