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17.11.2023

Würdige Gedenkveranstaltung im Kirchhainer Bürgerhaus - Jenny Strauss-Clay zu Besuch aus den USA

Auch in diesem Jahr fand der Schweigemarsch zum Pogromgedenken vom Jüdischen Friedhof zur Synagoge statt. Die Veranstalter konnten rund 200 Besucherinnen und Besucher verzeichnen.

Zunächst führte die Lichterprozession zur ehemaligen Synagoge, an der Pfarrer Rainer Wilhelm, Bürgermeister Olaf Hausmann und Kerstin Ebert als Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Kirchhain zum Gedenken der Opfer einen Kranz niederlegten.

Zuvor erinnerten Bürgermeister, die Vertreter der Kirchen, Monika Bunk von der Jüdischen Gemeinde, Schulleiter Matthias Bosse, Kreistagsvorsitzender Detlef Ruffert sowie Kerstin Ebert an die Gräueltaten vom 8. November und verlasen die Namen aller bis 1938 in Kirchhain lebenden jüdischen Familien. Monika Bunk trug in deutscher und hebräischer Sprache ein Gebet zur Shoa vor bevor die Versammlung gemeinsam das Vaterunser sprach.

Die Kirchhainer Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung der Stadt Kirchhain, der Alfred-Wegener-Schule, des Heimat- und Geschichtsvereins e.V. sowie der hiesigen Kirchengemeinden gefolgt, anschließend den 85. Jahrestag zu gedenken.

Im voll besetzten Bürgerhaus sprach zunächst Bürgermeister Olaf Hausmann. Er machte in seiner Rede deutlich, dass die Geschehnisse vor 85 Jahren im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen sollen; gleichzeitig der Krieg im Gazastreifen aber nicht unerwähnt bleiben soll und darf. Er verurteilte scharf und deutlich den Terrorangriff der Hamas auf Israel und mahnte dazu, jeder Form von Antisemitismus immer und sofort entgegenzutreten - im Sinne einer weltoffenen Stadt Kirchhain.

Hauptrednerin war an diesem Abend Jenny Strauss. Sie war mit ihrer Tochter Andreia aus den USA sowie ihrer Schwägerin Cornelia Edding aus Berlin angereist.

Jenny Strauss-Clay verbindet seit vielen Jahren eine Freundschaft zur Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Kerstin Ebert, die den Besuch aus den USA herzlich begrüßte. Jenny ist die Adoptivtochter von Leo Strauss, einem der größten Söhne unserer Stadt. Der deutsch-amerikanische Philosoph hatte seine Nichte 1942 adoptiert nachdem seine Schwester Bettina bei der Geburt von Jenny gestorben war.

Man merkte Jenny Strauss-Clay an, dass ihr die Ansprache nicht leicht viel. Sie erklärte, dass sie zunächst gezögert habe, anlässlich des Pogromgedenkens zu reden. Es dann aber als ihre Pflicht empfand, ihre Stimme zu erheben und zu erinnern: „Die gegenwärtige Situation hat diese Aufgabe noch viel schwieriger gemacht. Alter Hass und alte Wut sind wieder aufgewühlt, das Ungeheuer des Antisemitismus ist wiedererwacht. Ich bin untröstlich und bedauere all die Unschuldigen, die in diesen Strudel geraten sind. Die Worte, die ich zuvor geschrieben habe, scheinen nicht auszureichen, um meine Trauer und Verzweiflung auszudrücken“, so Strauss-Clay.

Sie erzählte über ihre Familie und berichtete von einigen Anekdoten über Leo Strauss, die dann doch das ein oder andere Lächeln bei den Zuhörerinnen und Zuhörern hervorrief.

Der WU-Kurs Geschichte der Alfred-Wegener-Schule (AWS) hatte Zeitzeugen befragt und diese als Videomitschnitt vorgeführt, der aufzeigte, wie das damalige Zusammenleben mit der jüdischen Bevölkerung sich in den 1930er Jahren veränderte. Darüber hinaus haben die Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrerinnen Barbara Sonnenberger und Paula Trzaskalik eine eindrucksvolle interaktive Karte erstellt, auf der die Geschehnisse detailreich nachgezeichnet wurden. Diese Karte ist auf den Internetseiten der Stadt, des Gesichtsvereins sowie der Schule veröffentlicht.
Besonders beeindruckend war das Stück des Kurses Darstellendes Spiel der AWS unter der Leitung von Silke Trux und Bettina Bachmann. Auf beeindruckende Weise spielten die Jugendlichen das Schicksal der Familie Mayerfeld nach.

Pfarrer Rainer Wilhelm sprach für die hiesigen Kirchen. Auch er machte die Sinnlosigkeit des Krieges deutlich und rief die Menschen auf, auf einander zuzugehen, gegen den Rassismus und für den Frieden einzutreten.

Das Schlusswort hatte Schulleiter Matthias Bosse, der sein Unverständnis darüber zum Ausdruck brachte, dass solche Veranstaltungen „leider unter Polizeischutz stattfinden müssen“. Er bedankte sich bei allen Besucherinnen und Besuchern für ihr Kommen und machte deutlich, dass man seine Stimme gegen Rassismus und Antisemitismus immer sofort und jederzeit erheben müsse.

Musikalisch begleitet wurde der Abend durch Beiträge des Leistungskurs Musik des Jahrgangs 12 der AWS unter der Leitung von Torsten Mihr.

Neben dem Programm bestand die Möglichkeit, sich an Stellwänden und Hörstationen zu den Stolpersteinverlegungen vergangener Jahre zu informieren. Zusammengestellt hatte die Ausstellung die Stolperstein-AG ARRET der AWS.

Ein würdevolles Gedenken, das alle Beteiligten nachdenklich nach Hause gehen ließ.

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